Michael Newdow, Doktor und Anwalt aus den USA, hat vor einigen Jahren endlich einen Weg aus der Anonymität und Belanglosigkeit hinein in die befriedigende Welt der Blitzlichter und Fernsehkameras gefunden: Atheismus! Sein letzter Coup: Er startete eine Petition, deren Ziel es ist, das "In God We Trust" von den Dollarscheinen zu entfernen. Es gibt sogar eine Internet-Abstimmung bei NBC. Dort stand es gestern noch 52:48 gegen Gott. Heute sind wir bei 59:41 für Gott. Aber selbst, wenn das Ergebnis wieder kippen sollte, darf man eines nicht vergessen: Die NBC-Klientel ist in der Regel ultraliberal, voll mit der Zeit gehend und total aufgeklärt, Du. Sprich: Hier stimmen nicht nur Atheisten für ihre Causa, sondern auch moderne Christen, die glauben, der Aufdruck auf den Geldnoten widerspräche der Trennung von Kirche und Staat.
Wäre ich ein US-Standup-Comedian, setzte ich mein Programm jetzt ungefähr so fort:
"And... Atheists!"
[Schmunzeln]
"You've heard of atheists, right?"
[Gekicher]
"Boy, what's up with them?"
[Gegacker]
"I mean..."
[Gebrüll]
Naja, leider hab ich's bei meiner werten Leserschaft nicht ganz so leicht, daher noch einmal eine patentierte Alipius-Breitseite mit offiziellem Torquemada-Gütesiegel auf unsere atheistischen Mitbrüder und Mitschwestern. Thema heute:
Schönheit oder Der Atheist und die Lust am WegmachenBei den Atheisten muß immer irgendetwas wegradiert, fortgekratzt, versteckt, kaputtgemacht oder weggehängt werden. Gottesbezug in Präambeln, Bibeln in Gerichtssälen, Kruzifixe in Klassenräumen, "In God We Trust" auf Banknoten, Kirchliche Feiern auf öffentlichen Plätzen: Wegwegwegwegweg.
Etwas seit Jahrhunderten Bestehendes soll aus dem Weg geräumt werden, weil eine lautstarke Minderheit dieses Bestehende auf Kollisionskurs mit ihrem Programm sieht. Zur Verteidigung heißt es dann oft, daß man schließlich auf ein Utopia hinarbeitet. Gut marxistisch wird argumentiert:
"Es kann dies natürlich zunächst nur geschehen vermittelst despotischer Eingriffe ..., durch Maßregeln also, die ... unzureichend und unhaltbar erscheinen, die aber im Lauf der Bewegung über sich selbst hinaustreiben und als Mittel zur Umwälzung ... unvermeidlich sind."
(Manifest der Kommunistischen Partei, II. Proletarier und Kommunisten)
Keine Lust am Aufbau, keine Lust auf Kooperation, keine Lust auf Erhalten, keine Lust auf Toleranz: Das alleine ist natürlich schon verdächtig.
Aber es kommt noch dicker: Warum ist die erhabenste Kunst, die wir im Abendland haben, die Christliche (um nicht zu sagen, die Katholische)? Warum gibt es keine schöneren Gebäude, als romanische Dome, gotische Kathedralen und spätbarocke Wallfahrtskirchen? Warum sind die heiligen Textilien und die Gewänder der Priester so edel und schön? Warum verbreiten die Skulpturen, die Gemälde, die Ornamentik und sogar das Mobiliar der Zeit der Re-Katholisierung Europas einen so unwiderstehlichen Hauch von Lebensbejahung, Feierlichkeit und Optimismus? Warum ist auf allen Heiligenbildern der Mensch als Mensch dargestellt? Sicher, der Katholik als solcher will in der Regel lieber aufbauen als zerstören, sei es als Individuum mit seinen Händen oder sei es als Teil einer Gemeinschaft mit Herz und Seele. Aber es steckt mehr dahinter: Der Katholik liebt sowohl die Vielfalt der Schöpfung als auch die Möglichkeiten der Kunst und des Handwerks. Kurz: Er liebt die Schönheit. Und die Schönheit ist - wie das Gute und das Wahre - von Gott. Nicht nur dies: Die Schönheit ist - wie das Gute und das Wahre - objektiv. Sicher, jeder Mensch hat die Möglichkeit aufgrund eines persönlichen Vorzugs jedes beliebige Ding als schön oder gut oder wahr zu empfinden. Das bedeutet aber nicht, daß es nicht in jedem Ding selbst das Schöne, das Wahre und das Gute gibt. Und dieses Schöne, Wahre und Gute in den von Gott geschöpften Dingen ist mit ihrer Essenz verbunden, mit ihrem So-sein-wie-sie-sind, wenn man so will. Der Mensch ist daher schön, weil er Mensch ist. Und als Mensch ist er geschaffen, ist er ein Kunstwerk. Er ist ein Geschöpf Gottes, welches alleine wegen seines Geschöpfseins schön ist. Was die Akzidenzien betrifft, gibt es natürlich Vorzüge, die in verschiedene Richtungen gehen: Der Eine mag blondes Haar, der Andere schwarzes, der Dritte mag rotes. Der Eine mag blaue Augen, der Andere grüne, der Dritte mag braune. Der Eine mag schmale Nasen, der Andere breite, der Dritte mag gebogene. Der Eine mag zarte Körper, der Andere mag fleischige, der Dritte mag muskulöse. Das alleine beweist, daß nicht eine bestimmte Art von Mensch schön ist, sondern der Mensch als solcher.
1.: Der Mensch als von Gott ex nihilo geschaffen ist schön, wahr und gut. Seine Schönheit, seine Wahrheit und sein Gutsein sind mit seinem Menschsein direkt und intrinsisch verbunden, da Gott nichts schöpfen kann, was nicht schön oder wahr oder gut ist.
Aber ist ein Paar Hosen, ein Stuhl oder ein Gebäude oder irgendein von Menschenhand geschaffenes Ding in seiner Essenz als Hose, Stuhl, Gebäude oder Ding auch sogleich schön? Nicht immer. Dem Menschen fehlt die Perfektion des Schöpfers. Der Mensch muß auf die Essenz des von ihm geschaffenen Gegenstandes achten, um ihm Funktionalität zu verleihen. Er muß auf die Akzidenzien des Gegenstandes achten, um ihn schön zu machen. Schön ist ein filigran gearbeiteter, vergoldeter Armsessel. Schön ist die aus elfenbeinfarbenem Porzellan gefertigte Figur einer Harfe spielenden jungen Dame. Schön ist ein weitläufiger Saal mit spiegelndem Parkett und schimmernden Marmorsäulen. Schön ist ein dunkler, gotischer Kreuzgang mit uralten Epitaphen an den Wänden. Schön sind schwere Vorhänge aus Seidenatlas, die sich bei geöffnetem Fenster leicht im Winde blähen. Schön sind geschliffene Edensteine, in denen sich Kerzenlicht bricht. In unzähligen Geschichten und Gedichten haben über die Jahrtausende hinweg Schreiber all diese Dinge gelobt. Aber: Der eigentlich Poet ist Gott. Wir lesen nur sein Gedicht. Denn alles, was ich soeben beschrieb, geht ja auf Gott zurück. Er hat das eine, große, unvergleichlich schöne Werk geschaffen, aus welchem wir die Grundstoffe für unsere handwerklichen und künstlerischen Aktivitäten beziehen. Wenn wir den Kokon einer Raupe abkochen und dann daraus Seidenfäden gewinnen, dann lesen wir bereits Gottes Gedicht. Die himmelblauen Polsterbezüge, die smaragdgrüne Weste, die scharlachrote Tapete und das senfgelbe Ballkleid, die dann aus der Seide gefertigt werden, sind bereits als unsere unbeholfene Nachahmung des Schöpfungsaktes die hingerissenen Seufzer der Anerkennung von Gottes Werk.
2.: Kunstwerke als vom Menschen aus Gottes Schöpfung fabriziert, sind wahr, weil sie real sind. Sie sind gut, weil sie quasi-schöpferisch sind. Sie sind schön, wenn der Mensch in seinem Schaffen sich seines Geschöpfseins bewußt ist und in kindlicher Naivität den Vater zu imitieren versucht.
Die Schönheit von Gottes Schöpfung ist uns Beweis seiner Existenz und eine stete Erinnerung an unser Ziel. In ihr erkennen wir einen Abglanz des Paradieses, des einzig wirklichen Utopias, des Himmelreiches. Die Schönheit der von unseren Händen geschaffenen Werke ist die Bestätigung, daß wir einst wirklich Anteil an Gott haben können. In ihr erkennen wir den festen Glauben, die beständige Hoffnung und die übergreifende Liebe des gefallenen aber nicht liegen gebliebenen Menschengeschlechts.
3.: Schöne Dinge zu schaffen bedeutet zu beten.
Schönheit in einer atheistischen Gesellschaft? Ein Phänomen so wahrscheinlich wie Spitzenfußball in Düsseldorf. Ein Konzept so beruhigend wie die Begegnung mit einer fünffachen Bärenmutter samt Anhang irgendwo in einem weiten, stillen Wald.