- Ihr lieben Beter, Ihr irrt Euch.
Es gibt keine Gottesmutter, es gibt keine Heiligen. Ihr betet zu Hirngespinsten – und Ihr wißt das auch. Ihr habt – sozial arrondiert und satt – Euer sympathisches Refugium gefunden. Gut. Aber Ihr wißt letztlich, daß es auf Trug und auf einem gewissen Arragement mit Euch selbst beruht.
Ich wißt vor allem und ganz selbstverständlich, daß niemand der Erlösung bedarf. Wovon denn? Die Taten der Menschen verdienen weder den Himmel noch die Hölle. Daß das Erbsündengerede Unfug ist, wißt Ihr selbstverständlich auch.
Ich finde den Katholizismus sehr überzeugend, was mich aber stört, ist, daß man tatsächlich so tun muß, als hielte man diese ganze Legendmär vom Dreifaltigen Gott doch irgendwie für wahr. Daß man sich einreden muß, Jesus sei für uns gestorben, was er natürlich nicht ist. Natürlich wurde er von einer Jungfrau geboren, natürlich ist er auferstanden. Nur „für uns“ gestorben, das ist er eben nicht. Warum denn? Weshalb?
Man muß sich bemüht und eifrig und gläubig geben, und das macht man eben nicht. Warum kann man nicht einfach bei den Riten mitmachen, und gut ist’s?
Ich habe das Tagschattenbuch heute zum ersten Mal besucht (Danke für den Tip, Scipio!) und habe absichtlich keine weiteren Einträge in Harkis Blog gelesen, weil ich vorläufig das Thema so behandlen möchte, wie ich es auffand.
Also ran an den Speck:
Phänomenologisch finde ich das Ganze nicht haltbar: Die gläubigen und regelmäßig praktizierenden Katholiken, die ich kenne, lassen in ihren Gesten, in der Art, wie sie ihre katholisches Leben leben und im Reden über ihren Glauben eine Überzeugung durchschimmern, die der eines Gelsenkirchener Fußball-Anhängers in nichts nachsteht. Würdest Du (Hi, Harki!) dem Fan eines südamerikanischen Clubs ins Gesicht sagen, er wüßte, daß sein Verein nicht existiert, nur weil Du von diesem Verein zwar schon gehört, aber noch keine tiefgreifenden persönlichen Erfahrungen mit ihm gemacht hast? Warum also behauptest Du, Katholiken wüßten, daß es keine Gottesmutter und keine Heiligen gibt? Weil Deine empirische Basis einen solchen Schluß zuläßt ("Von 1000 befragten Katholiken gestanden 763 heimlich und unter vorgehaltener Hand, sie wüßten, daß Maria und die Heiligen nicht existieren"), oder weil Du sie nur vom Hörensagen kennst?
Ich weiß nicht, ob Du häufig katholische Messen besuchst. Immerhin ist Dir das Phänomen der sozial arrondierten und satten Katholiken bekannt. Aber wie äußert sich für Dich dieses Phänomen? Hast Du andere Menschen darüber berichten hören? Hast Du es selbst erlebt? Wenn ja, was verleitete Dich zu dem Schluß? Ein Gähnen während der Wandlung? Nasenbohren während der Predigt? Eine generell uninspirierte Haltung? Angenommen, diese Äußerlichkeiten verdienen die Etiketten "Sozial Arrondiert" und "Satt": Sind sie schon Beweis dafür, daß die betreffenden Personen wissen, daß es weder eine Gottesmutter noch Heilige gibt?
Es scheint Dir ja primär um die Erlösungsfrage, um die Erbsünde und um das "für uns gestorben" zu gehen und im Kielwasser dieser Fragen um das Gebet. Vielleicht empfindest Du das Gebet als Demütigung, vielleicht als überflüssig ("Eine barmherzige Gottesmutter soll gefälligst, auch wenn ich nicht bete, für mich bei ihrem Sohn in die Bresche springen"). Ziel des Gebetes ist es allerdings nicht, Maria oder Gott in dem Sinne zu ändern, daß sie Dir plötzlich gewogen sind. Ziel des Gebetes ist, in Dir selbst die Änderung zu bewirken, die es letztendlich ermöglicht, daß Du die von Gott Dir ununterbrochen angebotene Gnade empfängst. Es ist wahr: Das Gebet reißt eine weite Lücke in die Mauer, die uns von Gott trennt. Aber nicht, damit Gott dann durch diese Lücke Dir die Brathähnchen in den Mund fliegen lassen kann, sondern damit Du in einem Akt des Glaubens hinlangst und dankend die Gande aufnimmst. Du kannst Gott nicht auf der Ebene der Gefühle berühren. Gefühle gelten in letzter Instanz immer objektiven materiellen Realitäten, zu denen Gott nicht zählt. Auch auf Verstandesebene läßt Gott sich nicht antasten, denn unser Intellekt berührt nur die Ideen, die Konzepte, die wir von Gott haben. Es bedarf der göttlichen Tugend des Glaubens, um mit Gott so in Kontakt zu treten, daß danach auch die Hoffnung von negativen Indikationen gereinigt und die Liebe in die rechten Kanäle gelenkt wird.
Naja, das waren meine fünf Pfennig an Weisheit.
3 comments:
Kurze Frage, die mir heute während des Gottesdienstes kam:
Ölbergszene- Jesus mit den Jüngern am Ölberg- er geht weg,um zu beten, Jünger schlafen ein- der Evangelist berichtet jedoch tatsächlich, was Jesus gebetet hat- woher weiß er das?
Das bringt mich gerade etwas durcheinander.
Zwei Antworten:
1.) Das Evangelium ist Gottes Wort in Mannes Sprache mit einer gehörigen Portion Inspiration durch den Heiligen Geist.
2.) Jesus hat die Geschichte - einschließlich seiner Gebetsworte - später weiterzählt und der Evangelist hat es durch mündliche Überlieferung erfahren.
Zu deiner Antwort an Harki:
Vielleicht sollten wir weniger versuchen, Harkis Eindruck auszubremsen, als uns fragen, wie es dazu kommt...
Vor allem hat es mir zu denken gegeben, wenn er sinngemäß schreibt, dass wir uns dich als Gläubige relativ gut eingerichtet haben. Und ich glaube, die Gefahr ist wirklich da. Man hat so eine Weltsicht, einen Lebensstil und katholisiert so vor sich hin. Man hat etwas wofür man eintreten kann, klopft sich auf die Schulter, weil man so wenig mainstream-mäßig ist... die Gefahr ist schon da, denke ich, dass das Eigentliche des Glaubens zurücktritt zugunsten einer bestimmten Art von Lebens- und Denkgestaltung. Auch wenn diese letzteren völlig richtig sein können, dürfen sie doch nie das Eigentliche des Glaubens verdecken.
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