Simple MindsEmpires and DanceKomisch. Es gibt keine Band, die ich so heiß und inning liebte und dann doch so schnell fallen ließ wie die
Simple Minds. Und zwar nicht, weil sie mir nach dem Umzug von den Club-Bühnen in die Stadien zu kommerziell waren, sondern weil ich einfach mit dem Post-
Sparkle in the Rain-Zeugs nichts mehr anfangen konnte.
Andererseits habe ich (außer bei
The Smiths und natürlich
And also the Trees) bei keiner anderen Band solche Schwierigkeiten, mich für ein Lieblingsalbum zu entscheiden.
Die Geschichte: Aufmerksam wurde ich auf die Schotten, als ich 1983
Someone, Somewhere in Summertime im Radio hörte. Das war Mucke, die meinen damals noch an braven Syntie-Pop gewöhnten Ohren keine großen Probleme bereitete. Ich hetzte dann auch gleich los und legte mir
New Gold Dream zu. Viele Fans halten dieses Album für das Meisterwerk der Simple Minds. Wahrscheinlich ist es das auch. Es hat nur einen Nachteil: Es verspricht uns mit seinem Mix aus glückseligem Pop und tranciger Avantgarde eine Zukunft des Pop, die leider nie stattgefunden hat. Und ich muß ganz ehrlich sagen, daß die Lieder auf dem Album auch für mich damals 15-jährigen Pimpf trotz ihrer Eingängigkeit eine Nummer zu groß waren. Gefallen haben mir die Songs von Anfang an, aber so richtig zu würdigen lernte ich das Album erst Jahre später.
Circa ein Jahr nach
New Gold Dream habe ich mir dann
Empires and Dance zugelegt. Hoppla! War das die gleiche Band? Paranoia und Angst in den Texten, fiebriges Pulsieren, spannungsgeladene Monotonie und krautrockiges "mir doch egal, ob das ein Hit wird"-Gebastele in der Musik.
Es fanden in den folgenden Jahren noch
Sons and Fascinations, Sister Feelings Call, Real to Real Cacophony uns
Sparkle in the Rain ihren Weg in meine Plattensammlung. Und zwischen den sechs genannten Alben schwankte meine Gunst immer hin und her. Ich habe mich dann endlich doch für
Empires and Dance entschieden, weil es das SM-Album ist, das ich auch heute noch am häufigsten abstaube und einlege.
Die Musik:
I Travel war die erste Single des Albums. Es ist eine energiegeladene New-Wave Nummer mit kräftigen Keyboards, stampfendem Beat und recht eigenwilliger Gitarre. In den 80ies-Wave Discos war der Tune lange Zeit eine amtliche Tanz-Hymne. Textlich geht es um die politische und sprachliche Probleme, der frühen 80er. Der zweite Song,
Today I died again, verbreitet mit seinem flirrenden Klagen, seinen leich arabisch angehauchten Keyboards, seinen trockene Drums, und den Vocals mit viel Attack-Zeit eine gespenstische Wüstensand-Atmosphäre.
Celebrate ist die zweite Single-Auskopplung. Ein monotoner Rhythmus, unterstützt von Händeklatschen und einer Art Keyboard-Metronom mit ein paar kleinen Effekten und Charlie Burchill's unnachahmlichen Gitarren-Einstreuungen. Dazu singt Jim Kerr von Uniformen, Soldaten und formlosen Negativen. Ohne es direkt anzusprechen, scheint Kerr sich hier und auch auf
Today I died again mit Faschismus zu beschäftigten. Ein "Bing" eröffnet dann den rätselhaften Siebenminüter
This Fear of Gods. Ein Keyboard-Arpeggio bietet die Basis für eine gut swingende Drum und Bass-Kooperation, elektronische Tupfer, nöglige Feedbacks, leich weggefadete, hallende Vocals und eigenartige Sätze.
Capital City startet mit einer Art Clockwork-Bass und gibt dann den Weg frei zu einem schleppenden Groove, klimpernden Gitarren und einem Chorus mit einer simplen, aber schön greifenden Keyboard-Melodie. Dann kommen zwei ganz wilde Tracks:
Constantinople Line treibt das Konzept des aus Drums, Bass und Elektrotupfern generierten Rhythmus auf die Spitze. Hier ist speziell der Bass sehr eindringlich.
Twist/Run/Repulsion ist ein zittriges, klappriges Durcheinander aus Instrumenten-Fetzen, Stimm-Samples und einer Französin, die Nabakov liest. Dahinter tobt eine geschmeidige Bass-Line, die hin und wieder mal vor einem quietischen Bläser-Akkord haltmacht. Der Gesang passt mit seiner klaustrophoben Monotonie zu der im Text angesprochen Abscheu.
30 Frames a Second ist ein dreckiges Tanzstück mit einer sirenigen Keyboardmelodie, die von einem messerscharfen Bass, pulsigen Electronics und einem stampfenden Beat getragen wird. Der Song erzählt eine wilde "Ich gucke auf mein Leben zurück"-Geschichte, die nicht wirklich versöhnlich daherkommt. Auf dem Instrumental-Stückchen
Kant-Kino kann man dann durchatmen. Elektronische Effekte und ein kräftiger Keyboard-Track untermalt von einer sachte durchsickernden, rhythmischen Gitarre. Der letzte Song,
Room ist mit seinen Synth-Bass-Tupfern, den Percussions, den distanzierten Gitarren und der eingängigen Gesangsmelodie ein entspannter und beruhigender Ausklang.
Wer die New-Wave/Post-Punk-Jahre der frühen Achtziger mag, sollte sich dieses Album keinesfalls entgehen lassen!