Sunday, November 19, 2006

Transsubstantiation

    "Durch die Konsekration des Brotes und Weines geschieht eine Verwandlung der ganzen Substanz des Brotes in die Substanz des Leibes Christi, unseres Herrn, und der ganzen Substanz des Weines in die Substanz seines Blutes. Diese Wandlung wurde von der heiligen katholischen Kirche treffend und im eigentlichen Sinne Wesensverwandlung genannt."
Soweit die Heilige Katholische Kirche auf dem 4. Laterankonzil, bekräftigt durch das Konzil von Trient.

Ich werde oft gefragt, was genau eigentlich bei uns Katholiken in der Eucharistie passiert. Manchmal aus reinem Interesse, manchmal, weil mein Gegenüber Lust hat, die Begriffe "Kannibalismus", "Aberglaube" oder "Mumpitz" zu gebrauchen.

Was also ist diese Transsubstantiation? Wie kann es sein, daß ich in der Kommunion Brot und Wein schmecke, sehe und rieche und es doch Leib und Blut Christi sind? Die ganze theologische Tiefe dieses Themas ist mir noch verschlossen. Von philosophischer Seite betrachtet, kann ich immerhin versuchen, Euch soviel zu erklären:

Stellt Euch mal einen Apfel vor. Er ist grün, rund, schmeckt nach Apfel und fühlt sich glatt an. Jetzt gibt es aber nirgendwo in der Natur "grün" oder "rund" oder "apfelgeschmackig" oder "glatt" als solches und für sich alleine gestellt. All diese Dinge nennt man "Akzidentien". Sie brauchen etwas, dem sie innewohnen können, etwas, daß ihre Grünheit, Glätte, Rundheit trägt. Und dieses etwas ist die "Substanz". Sie ist das Essentielle, das Wesentliche oder das Dauernde. Wenn ein gelber Apfel sich rot färbt, dann ändert sich nichts an seiner Substanz. Er ist immer noch ein Apfel. Und in der Transsubstantiation verwandeln sich durch die Anrufung des Heiligen Geistes (Epiklese, z.B.: "Sende deinen Geist auf diese Gaben herab und heilige sie, damit sie uns werden Leib und Blut deines Sohns, unseres Herrn Jesus Christus." aus dem 2. Hochgebet) und durch die Wandlungsworte eben nicht die Akzidentien, sondern die Substanzen von Brot und Wein in die Substanzen des Leibes und Blutes Christi und zwar dergestalt, daß Er ganz und lebendig mit Leib und Blut, Seele und Gottheit in beidem enthalten ist. Die Akzidentien von Brot und Wein, wie Geschmack und Farbe undsoweiter, bleiben erhalten. Oder, um es mit dem damaligen Kardinal Ratzinger und jetzigen Papst Benedikt zu sagen:
    "Der Herr bemächtigt sich des Brotes und des Weins, er hebt sie gleichsam aus den Angeln ihres gewöhnlichen Seins in eine neue Ordnung hinein; auch wenn sie rein physikalisch gleich bleiben, sind sie zutiefst Anderes geworden." (Josef Kardinal Ratzinger, Eucharistie - Mitte der Kirche, Vier Predigten)
Problematisch ist natürlich, daß die Menschen heutzutage unter dem Begriff "Substanz" etwas ganz anderes verstehen, als die Menschen im Mittelalter. Substanz heute ist ja nicht mehr das Wesen einer Sache, sondern ihre materielle Zusammensetzung. Für einen gläubigen Katholiken aber bleibt es so: Vom sinnlichen Standpunkt des äußeren Begreifens her ist alles beim Alten geblieben. Doch für das innere Begreifen ist alles Anderes geworden.

Geheimnis...
Wunder...
Glaube...

Alles Liebe,
Alipius

4 comments:

Anonymous said...

die lehre von der transsubstantiation ist - abgesehen vom mysterium des glaubens - nach wie vor auch ein philosophisches highlight. was mich selbst immer wieder verwundert: alkholizität (gibt's das wort?) ist beim wein nicht substantiell, sondern akzidentiell - durchaus verwirrend.
und weil Sie gerade, wie man im blog lesen kann, mit neuzeitlicher/moderner philosophie arbeiten: es gibt natürlich gute gründe, warum die subtanzontologie in die krise geraten ist - nicht aus atheistischer böswilligkeit, sondern aus guten gründen. hier mache ich eine echte theologische herausforderung aus.

Petra said...

Falsch! Der Priester kann sehr wohl allein eine Messe feiern, muss es in bestimmten Fällen auch. Transsubstantiation hat null mit der Gemeinde zu tun - das ist schlechte Katechese, die ich auch schon anderswo im Net gelesen habe... Wenn der Priester allein in der Wüste hockt, Brot und Wein aus der Tasche nimmt und die Messe zelebriert, und dabei sagt: "Das ist mein Leib... das ist mein Blut", dann ist es geschehen! Dann ist er nicht mehr allein, sondern mit dem Herrn zu zweit... :-)

@anonym: Du magst schon Recht haben, dass man möglicherweise auch auf Basis einer anderen Philosophie als der aristotelischen die Lehre von der Eucharistie begründet könnte. Nur wo gibt's so eine? Die Philosophen waren in den vergangenen 200-300 Jahren so damit beschäftigt, die bis dahin existierenden Systeme zu zerstören, dass ihre Begriffe für solche Zwecke völlig unbrauchbar geworden sind und sich nicht systematisieren lassen. Die Transsubstantiation ist deshalb noch immer wichtig, weil sie die einzige orthodoxe, philosophisch systematische Erklärung dessen ist, was bei der Eucharistie passiert. Oder man kann's mit den Orthodoxen halten (was bei denen immerhin funktioniert hat), und sagen, das ist ein Mysterium, aber wir wissen eines: Das sind der Leib und das Blut Christi. Nach all den westlichen Häresien der vergangenen Jahrhunderte ist allerdings eine klare philosophische Formulierung wohl heute notwendiger denn je - wegen entsprechender Häresien ist diese Formulierung ja damals auch entstanden.

Anonymous said...

@petra: ich weiß nicht, ob man hier auch eine andere philosophie heranziehen könnte - ich weiß nur, dass substanzontologien philosophisch nicht mehr ganz state of the art sind. und das hängt m.E. nicht mit bloß destruktiver mutwilligkeit zusammen, sondern mit guten gründen ein beispiel: wittgenstein war kein böser mensch, aber konnte mit begriffen wie 'Wesen' nichts anfangen - und zwar nicht aus schelmischen überlegungen heraus.

@bosn: frau petra hat recht. wenn ich mich richtig erinnere, gabs mit dem neuen cic hier sogar erst die entsprechende auflockerung, zuvor war der ministrant sogar vorgeschrieben. (oder täuscht mich da meine erinnerung?)

Der Herr Alipius said...

Daß Substanzontologien nicht mehr state of the art sind, sagt nichts über ihre Richtigkeit aus. Die Katholische Kirche ist ja auch megaout und dennoch nach wie vor der einzige Ort, an dem Christi Vermächtnis gültig und in Fülle gefeiert, erhalten und überliefert wird. Die Krise von Kirche, Religion und auch Substanzontologien ist doch sukzessiv schleichend aber stetig der neuen Physik, der Aufklärung und schließlich den Revolutionen entsprungen. Und wenn ich mir die zeitgenössischen Philosophen so durchlese, dann habe ich in der Tat ganz oft den Verdacht, daß da einfach ganz fix etwas Neues hermußte, nun, da "Gott tot", die "Kirche zerschlagen" und die "Religion überholt" war. Es schwingt immer so ein latentes "Hoffentlich bin ich der Erste, der die neue Realität in ein neues kohärentes System preßt" mit. Sicher, die Jungs hatten ohne Frage was auf dem Kasten. Aber viel von dem, was sie schrieben, bröselt unter stenger logischer Untersuchung ein wenig zusammen. Klar, auch Aristoteles hüpft manchmal, zum Beispiel beim Thema Qualität, aber mir scheinen seine Gedanken zu Substanz und Akzidenz heute ebenso gültig wie damals. Dies nicht nur, weil dieses System in sich schlüssig genug klingt, sondern auch, weil Aristoteles, wie z.B. im zweiten Buch der Metaphysik, frühere Philosophen würdigt. Und zwar nicht nur die, mit denen er einer Meinung ist, sondern explizit auch jene, die durch fragwürdige Ansichten dazu beitrugen, daß gewisse Wahrheiten und Ansichten im Diskurs überhaupt erst ans Licht kamen. Dies ist eine Klarheit und Demut, die ich bei den meisten zeitgenössischen Philosophen vermisse. Da müffelt es ganz oft nach Arroganz und Neunmalklugheit, was wiederum auf Angst und mangelnde Souveränität verweist. Ich denke da zum Beispiel an den logischen Positivismus, der plötzlich über Nacht die einzig gültige Methode zu sein hatte (und dann von Popper zerlegt wurde).