Tuesday, December 20, 2005

Das einundzwanzigste Türchen...

Hallo, ihr Lieben!

Ich hatte gestern berichtet, daß der politisch korrekte Zweig der Geistespatienten in den USA in den 90ern einen Versuch startete, den "Christmas-Tree" in "Holiday-Tree" umzubenennen, weil das Wort "Christmas" die Gefühle von Nicht-Christen verletzen könnte. Der Versuch wurde mit einigem Erfolg in die Tat umgesetzt. Ich hielt das schon - in meiner grenzenlosen Naivität - für ein starkes Stück.

Jedoch...

Heute lese ich, daß in den USA die heiße Diskussion läuft, ob man in der Öffentlichkeit Krippen aufstellen darf oder nicht. Und da hat doch tatsächlich irgendwo irgendwer einfach schon mal eine Krippe auf dem Rasen plaziert! Halt halt, meine Lieben! Bevor Ihr jetzt aufgrund heftiger moralischer Entrüstung ob dieser skrupelloen Zurschaustellung Christlicher Inhalte eine spontante Selbstentzündung riskiert, sei zur Beruhigung darauf hingewiesen, wie diese Krippe aussieht: Es ist eine mit Stroh ausgelegte und von bunten Lichtlein illuminierte Holzhütte, in der ein Esel, ein Ochse und ein paar Ziegen stehen bzw. liegen. Kein Witz! Ich meine, soviel Fingerspitzengefühl besitzt man überm Teich ja dann doch noch, daß man nicht etwa auf den abwegigen Gedanken kommt, grade am Weihnachtsfest durch die Präsentation des neugeborenen Heilands, der Gottesmutter Maria, des Heiligen Josef oder eines Engels einen Nicht-Christen in eine tiefe Identitätskrise zu werfen.

Und wer jetzt immer noch auf seinem Stuhl sitzt, dem sei dieser (englischsprachige) Artikel ans Herz gelegt. Ein Krankenhaus in Port Hedland, Western Australia, hat den traditionellen Weihnachtsschinken vom Menü gestrichen und dafür Halal-Kost für alle auf den Tagesplan gesetzt. Es waren nicht etwas Moslems, die das einforderten, sondern es ist den Birnen einiger Vorstandsmitglieder entsprungen.

So etwas - Ihr kennt mich gut genug - bringt mich ins Grübeln und auch ein wenig zum Schäumen. Aber wo beginnen, wenn sich soviel Angriffsfläche bietet?

Das durchschnittliche Gehirn eines strammen politisch Korrekten scheint ungefähr so zu funktionieren: Jeder Mensch - vorausgesetzt er gehört einer Minderheit an und wurde voher nicht um seine Meinung gefragt - hat das Recht, nicht beleidigt oder gekränkt zu werden. Folglich gilt es, alle Situationen, deren unkontrollierte Entwicklung unter Umständen zur Beleidigung/Kränkung eines einer Minderheit angehörigen Menschen führen könnte, rechtzeitig auszuwerten und besagte befürchtete Fehlentwicklung mit allen mitteln im Keim zu ersticken. Damit wäre dann der Gipfel der Zivilisation - oder Zivilisiertheit - erreicht.

Aber was ist schon ein zivilisiertes Dasein ohne gesunden Menschenverstand? Eben!

Paart man diese, dann erkennt man recht schnell, daß es unmöglich ist, nicht irgendwie, irgendwo, irgendwann einmal beleidigt/gekränkt zu werden. Dann ist man darauf vorbereitet, nimmt es wie ein Kerl, zuckt mit den Schultern und geht weiter. Ich werde hier der Versuchung widerstehen, Überlegungen anzustellen, inwieweit gewisse überzogene Auswüchse der Emanzipationsbewegung und die "Wir neuen Männer sind ja alle so im Einklang mit unserer weiblichen Seite"-Mode Schuld daran sind, daß die Streitkultur in unserer Gesellschaft zu einem Zirkus des Nüsternblähens, des Krokodilstränenvergießens, des abfälligen Zungenschnalzens, des dem Anderen den Mund Verbietens, des "Das sind doch Totschlag-Argumente" als Totschlag-Argument Benutzens, des auf dem Absatz Kehrtmachens und des in feuriger Entrüstung Davonmarschierens geworden sind. Ebenso möchte ich hier nicht in das Thema eindringen, inwieweit ein in seinem Glauben oder Nicht-Glauben (auch die Atheisten werden in dieses Spielchen gerne hineingezogen) gefestigter Mensch sich überhaupt die Blöße geben sollte, durch Dritte erklären zu lassen, seine religiösen oder nicht-religiösen Gefühle seien beleidigt worden, solange es oberhalb der Gürtellinie bleibt. Und ich denke doch, daß ein "Christbaum" dort einzuordnen ist. Meine Gefühle als gläubiger und der Kirche gegenüber alles andere als feindlich eingestellter Katholik werden pro Tag zweikommadreiachtfünf Mal beleidigt. Mindert das meine Lebensqualität? Erwarte ich, daß deswegen irgendwelche Leute für mich zitronig in die Welt hinein moralisieren?

Die ganze Bewegung der politischen Korrektheit scheint mir zu einem Gaudi um seiner selbst Willen verkommen (womit ich nicht andeuten will, daß ich diese Bewegung jemals für sonderlich nahrhaft hielt). Ich kann vor meinem inneren Auge diese Leute sehen, wie sie beisammensitzen und krampfhaft überlegen, wo und inwieweit irgendeine Gruppe oder Organisation noch einen Hauch von Besonderheit besitzt, der einer anderen Gruppe ein Dorn im Auge sein könnte. Als Oberzuckerl und als Beleg dafür, daß die der menschlichen Idiotie errichteten Monumente immer doch noch ein wenig beeindruckender sein können, sei hier noch diese Geschichte erzählt: In den USA mußte ein Mitarbeiter des Bürgermeisters von Washington im Jahres 1999 seinen Hut nehmen, nachdem er in einer (nicht einmal öffentlichen) Besprechung das Wort "niggardly" gebraucht hatte. Das bedeutet "knauserig" und war auch so gemeint. Dieses Wort hat nichts und hatte nie etwas mit dem Ausdruck zu tun, mit dem bierseelige Rednecks ihre dunkelhäutigen Landsleute immer wieder mal betiteln. Trotzdem fühlte sich ein schwarzer Mitarbeiter, der der Besprechung beiwohnte, rassistisch angemacht und forderte die Entlassung. Der Knüller: Der Entlassene war bzw. ist schwul. Also regnete es bergeweise Protestbriefe der "Gay-Community" ins Rathaus und der Mitarbeiter mußte wieder an Bord geholt werden. Jawoll, so filmreif ist die Realität! Er wurde nicht etwa wieder eingestellt, weil irgendwer mal in einem Wörterbuch nachgesehen hat, was "niggardly" nun eigentlich wirklich heißt, sondern weil der Bürgermeister jeden Morgen über einen zwei Meter hohen Berg rosafarbener Briefumschläge in sein Büro klettern mußte.

Klar, eigentlich könnte man schmunzeln und die ganze Chose ins Klo spülen. Blöderweise gibt es aber mittlerweile in den USA eine ganze Industrie von "Offensiveness"-Terminatoren, die von Unternehmen engagiert werden, um das Arbeitsklima bis in die Besenkammer hinein politisch korrekt zu gestalten. Es hungern Mikrophone und Kameras nach dramaturgisch wertvoll inszenierter moralischer Entflammung. Es existiert eine Öffentlichkeit für diesen Mist und so manch ein labiles Gemüt könnte irgendwann kippen und - vielleicht gar entgegen ursprünglich besseren Wissens - in das gleich Horn tuten.

Und a propos Gruppenzwang (oder Massenhypnose):
Ethisch gehandelt hat meine Mutter, die mich großzog und mir zu den unmöglichsten Zeiten die Brust hinhielt, obwohl sie manchmal sicherlich gerne ein wenig länger geschlafen hätte. Ethisch gehandelt hat mein Vater, der, obwohl er erkältet war und vom Arzt sicherlich einen Schein bekommen hätte, trotzdem zur Arbeit ging. Ethisch gehandelt hat mein Pfarrer, der im Winter neunzig Minuten lang im eiskalten Beichtstuhl hockte, obwohl er wußte, daß eh alle Welt mal wieder nicht gesündigt hat und somit kein Schwein aufkreuzen wird. Der "Legalize it!"-Aufkleber mit den Dreadlocks und das neben ihm hermarschierende Nabelpiercing mit dem Army-Tanktop halten ein "Kein Blut für Öl"-Transparent hoch, welches Geld gekostet hat, mit dem man einem Penner eine warme Mahlzeit hätte kaufen können; sie verbummeln auf der Demo die Zeit, in der sie auf einem Amt einem Ausländer beim Ausfüllen von Formularen behilflich sein könnten; sie suchen in den Blicken der neben ihnen Hergehenden die Bestätigung, daß sie zur richtigen Seite gehören, obwohl ihnen jede Oma, der sie während einer wöchentlichen Freiwilligenstunde im Altenheim den Brei zwischen die Lippen schieben, selbst durch geschlossene Augen sagt, daß es nicht darauf ankommt, wieviele Menschen einen sehen, sondern daß ein Gott einen sieht.

Wenn Ihr etwas Gutes tun wollt, dann tut für Euch und für den Anderen etwas Gutes und macht nicht in der Öffentlichkeit und in der Masse auf etwas Schlechtes aufmerksam. Und wenn Ihr es dennoch nicht lassen könnt, dann räumt wenigstens hinterher euren Müll weg und laßt die Trillerpfeiffen zu Hause. Denn beides beleidigt meine Gefühle, und das ist politisch total unkorrekt.
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Aber eigentlich sind wir ja dem Weihnachtsfest viel zu nahe für solches Geschimpfe. Also gibt's zur Entspannung eine weitere hinreißende Darstellung der Heiligen Nacht, diesmal aus der Scrovegni-Kapelle in Padua:


Alles Liebe,
Alipius

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